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Für: National Geographic Deutschland

Erika Engelhaupt

Das Geheimnis der körperlosen Füße

Geschichten von der dunklen Seite der Wissenschaft

Einleitung

Meine Familie lebte, bis ich sieben Jahre alt war, in den sanften Hügeln am Rande von Kansas City in Missouri. Unsere kleine weiße Stuckvilla thronte auf einem runden Gipfel, zu dem eine lange Auffahrt in Kurven hinaufführte. Jeden Nachmittag setzte mich der Schulbus unten ab, wo schon meine Mutter mit unserem großen schwarzen Deutschen Schäferhund wartete.

Eines Tages zierte die Zufahrt etwas Neues: zwei Berge. (Nun, eigentlich eher Hügel, aber bedenken Sie, ich war noch klein.) Sie bestanden aus Müll. Ein Lastwagen hatte seine lästige Fracht auf einem günstig gelegenen Stück Land abgekippt. Als meine Mutter und ich uns näherten, erkannten wir in den Haufen einzelne Dinge. Da lagen Aktenschränke und Kartons voller Papier. Meine Mutter zog einen dunklen Bogen heraus und hielt ihn gegen das Licht. Es war eine Röntgenaufnahme von Zähnen. Uns wurde klar, dass an unserer Zufahrt die ganzen Reste einer geschlossenen Zahnarztpraxis entsorgt worden waren.

In den Haufen lag zwar auch Spielzeug aus dem Wartezimmer, doch das Schmuckkästchen, das ich ausgrub, war interessanter. Es enthielt eine Silberkette mit winzigen jadegrünen Vögeln. Doch dann stieß ich auf das Beste: Gipsabdrücke von Patientenzähnen. Sofort legte ich die krassesten Fundstücke beiseite: Zähne mit Absplitterungen, Zähne, die wie lose Zaunlatten herauskippten, Gebisse mit fehlenden Zähnen – je hässlicher desto besser.

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